Im Jahr 1948 entstand unter dem Dirigat von André Cluytens dessen erste Einspielung von
"Les Contes d'Hoffmann" und damit die erste allein für die Schallplatte produzierte
Gesamtaufnahme des Werkes. Entsprechend dem damaligen Stand der Technik erschien die
Produktion noch auf dem seinerzeit üblichen Medium, der Schellackplatte.
Schellack ist ein von Schildläusen ausgeschiedenes Harz, welches heute noch Verwendung
in der Industrie findet. Aus ihm wurden früher die gut preßbaren Schallplatten
hergestellt, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach und nach als Tonträger
etablierten und erst in den Jahren nach 1950 durch die Vinylschallplatte abgelöst
wurden.
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Das Medium Schellackplatte brachte allerdings einige Nachteile mit sich: Auf Grund der
hohen Abspielgeschwindigkeit von 78 Umdrehungen pro Minute und der erheblichen
Nadelstärke betrug die Laufzeit einer 30 Zentimeter durchmessenden Schellackplatte pro
Seite nur vier bis fünf Minuten. Die notwendige Folge war, dass beispielsweise die
Gesamtaufnahme einer Oper meist auf zehn oder mehr Schallplatten verteilt werden mußte.
Dies bedeutete einen nicht unbeachtlichen Platzbedarf und gleichzeitig - auf Grund des
benötigten Materials - hohe Produktionskosten. Die mit der möglichst effektiven
Laufzeitnutzung einhergehende Einschränkung war, dass Nummern an den unpassendsten
Stellen unterbrochen und auf der nächsten Seite fortgesetzt werden mußten. Zu allem
Überfluß kam hinzu, dass die Schellackplatten sehr zerbrechlich waren, oft reichte
schon ein unvorsichtiges Herausnehmen aus der Hülle, um sie zu zerstören. All dies
waren Gründe, warum die LP (eben die "Langspielplatte") ihren Siegeszug so schnell
antreten konnte.
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Insoweit dokumentiert die Entscheidung, "Les Contes d'Hoffmann" nicht nur in Auszügen
sondern als Gesamtaufnahme herauszugeben, welchen Wert man diesem Werk beimaß. Das
Titelbild des Schellack-Albums schuf die französische surrealistische Malerin Valentine
Hugo (1887-1968). Sie war befreundet mit dem Schriftsteller André Breton, der ein
großer Verehrer von Offenbachs "Les Contes d'Hoffmann" war und die Covergestaltung
vermittelte. Das Bild zeigt Hoffmann im Kreis der von ihm verehrten Frauen Stella,
Antonia, Olympia und Giulietta (von links nach rechts). Umgeben sind Hoffmann und die
Frauen von den Gesichtern der dämonischen Widersacher, die sich im Hintergrund
verlieren. Die Zeichnung verfügt über eine solche Ausstrahlung, daß die EMI sie später
für eine ganz andere Aufnahme von "Les Contes d'Hoffmann" wiederverwendete, nämlich die
zweite Einspielung unter André Cluytens von 1965 mit Nicolai Gedda als Hoffmann.
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Die Ambitionen, mit denen sich Columbia der Produktion dieser Aufnahme widmete, werden
auch anhand der Besetzungsliste deutlich, welche sich wie ein Lexikon der damals
bedeutenden französisch-sprachigen Sänger liest: Raoul Jobin in der Rolle des Hoffmann,
die Frauenrollen Olympia - Giulietta - Antonia teilen sich Renée Doria, Vina Bovy und
Géori Boué, die dämonischen Gegenspieler werden gesungen von Louis Musy (Lindorf),
André Pernet (Coppélius), Charles Soix (Dapertutto) und Roger Bourdin (Dr. Miracle) und
- nicht zu vergessen - Fanély Revoil als Nicklausse. Unterstützt wird die Einmaligkeit
dieser Edition durch die limitierte Stückzahl von 1.000 Exemplaren, jede Ausgabe wurde
einzeln numeriert. Das hier abgebildete Exemplar trägt - wie aus dem Stempel
ersichtlich - die Nummer "0093."
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Auf insgesamt fünf den Plattentaschen vorgehefteten, einleitenden Seiten werden
Vorgeschichte, Konzept und Inhalt der Oper ausführlich beschrieben, unter anderem auch
durch den Produzenten Michel de Bry. Und auch diesen Texten merkt man an, mit welcher
Hingabe an dem Album gearbeitet wurde. Es folgen die Plattentaschen für die insgesamt
16 Schallplatten, auf welche sich die Einspielung wie folgt verteilt: sechs Seiten für
den 1. Akt (Prolog), acht Seiten für den 2. Akt (Olympia), sieben Seiten für den 3. Akt
(Giulietta), neun Seiten für den 4. Akt (Antonia) und zwei Seiten für den 5. Akt
(Epilog). Das jeweilige Label gibt mit beachtlicher Genauigkeit die Rollen sowie die
entsprechenden Interpreten der betreffenden Seite an.
Das Album schließt mit vier Fotographien der Mitwirkenden anläßlich der Aufnahme und
einem Bild von Raoul Jobin im Kostüm der Titelrolle.
Merci beaucoup à Gilles Vialle qui m'a laissé l'album.
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